Lade gut das Ladegut

Hier schaut niemand in die Röhre...

Irgendwann in meiner Kindheit standen sie überall herum: lange Züge, beladen mit Gasrohren. Ursprünglich waren diese bestimmt für die Sowjetunion. Die Produktion bei Hoesch, Mannesmann und Co. lief auf Hochtouren, als auf Beschluss den NATO-Rates die Lieferungen ausgesetzt wurden.

Das "Röhrenembargo" füllte die Zeitungen und Nachrichtensendungen. Und die Gleise, Monate lang wurden im Ruhrgebiet ganze Güter-Bahnhöfe durch die Züge mit den Gasröhren belegt. Wahrscheinlich sind diese Erinnerungen an die langen Rohr-Züge ein Grund dafür, dass nun ein Zug mit Gasröhren durch Timmerbruch fährt.

Eigentlich hatte ich nur einen Ganz-Leerzug aus Rungenwagen geplant, doch dann beschlossen, dass es auch hier eine typische Beladung geben müsse. Ob die von mir nun komponierten Rohrstapel so oder so ähnlich ausgesehen haben, ob sie wie heute schon gelb oder nur grau waren - keine Ahnung. Fotos habe ich davon so gut wie keine im Netz gefunden. Auf jeden Fall gab es eine ganze Reihe von Vor-Versuchen.

Auch in Sachen Lackierung gab es viele Tests, zumal ich anfangs gerne - SEHR gerne - auch den Korrosionsschutz an den Rohrenden nachgebildet hätte. Aber auch hier ist es einfach so: entweder das ist absolut exakt gemalt und absolut gleich bei allen Rohren oder man lässt es besser. Und da ich keine Methode gefunden habe, mit meinen beschränkten Maler-Fähigkeiten einen völlig gleichen Anstrich an allen 262 Rohrenden hinzubekommen, wanderte dieser Plan in den Orkus.

Ursprünglich wollte ich Kunststoff-Strohhalme nehmen, oben links ist ein solches Bündel nach einem Lackier-Versuch zu sehen. Problem war dabei die bunte Farbpalette der Saugröhrchen. Also streichen oder besser Spritzen. Geht nur mit vorheriger Grundierung, sonst lässt sich die Farbe einfach abkratzen und es besteht die Gefahr, dass beim unvorsichtigen Be- und Entladen an einzelnen Stellen die Oberfläche Schaden nimmt. Aber zweimaliges Spritzen? Bei über 130 Trinkhalmen? Zu aufwändig. Also Suche nach Alternativen. Und siehe da, der berühmte Kramladen-Discounter TEDI hat Papierstrohhalme im Sortiment. Große Packungen für kleines Geld mit unterschiedlichen Farben. Aber in jeder Packung sind nur genau 17 gelbe Halme, ein sonniges Gelb, wie es heute bei solchen Gasröhren verwendet wird. Für alle Vorversuche - siehe oben - mussten daher die anderen Farben herhalten. Für den Zuschnitt der Halme habe ich eigens eine kleine Guillotine gebaut, denn die Rohre müssen natürlich exakt gleich lang und exakt im 90°-Winkel geschnitten sein, da führt jede Unregelmäßigkeit sofort zum Absterben jeglicher Illusion.

Genau so wichtig ist die exakte Schichtung der Rohre. Vom Gefühl her müssten 11 Rohre - 2 x 4 und 1 x 3 - hier die richtige Menge sein, gestapelt auf Zwischenlagen, die durch dünne Balsa-Holz-Abschnitte dargestellt werden. Letztere sind einfach mit einem Schwamm und etwas schwarzem Wash gealtert, damit sie nicht auf den ersten Blick wie Kiefern-Bretter für IKEA-Regale aussehen. Auch beim Aufkleben der Rohre ist absolute Genauigkeit angesagt. Es gilt die universelle Handwerkerregel: Arbeite so genau wie möglich, ungenau wird´s von ganz allein - wer hier bei der Ausrichtung auf die Unterlagen aus etwas dickerem Balsaholz schludert, hat später Probleme beim Anbringen der Ladungssicherung. Ich weiß, wovon ich rede! Zudem müssen die Basis-Bretter genau auf einer Linie liegen, sonst klemmen sie auf den Wagen fest oder passen nicht zwischen den Seitenwände. Die Lücken in der 1. Etage sind schnell erklärt: hier habe ich die Abschnitte verarbeitet, damit ich nicht noch mehr Großpackungen Papierhalme kaufen musste. Die nicht gebrauchten Fehlfarben werden bei uns so schon für mindestens ein halbes Jahrhundert reichen...

Alles wird mit meinem Lieblingskleister Kittifix - der Bastel- und Kartonkleber - einem Produkt aus DDR-Zeiten, geklebt. Dieser Kleber trocknet matt und vor allem transparent aus. Man sieht ihn später so gut wie nicht mehr.

Die Spanngurte der Ladungssicherung sind selbstklebende 1mm Zierstreifen aus dem Kfz-Sektor (zierstreifen.de). Durch die klebende Rückseite ist die Montage deutlich vereinfacht und geht viel schneller von der Hand als mit dem ursprünglich angedachten Elastanfaden (0,8mm). Und: es gibt diese Zierstreifen in vielen Farben, matt-orange war hier die Farbe der Wahl. Ob die Ladungssicherung damals sooo aussah, ob die Abmessungen der Rohre korrekt sind - keine Ahnung, ob das alles GENAU so gewesen ist. Es ist einfach ein Zitat: Ganzzug mit Gasrohren. Punkt.

Und nun ist er komplett, der Röhrenzug. Mit 12 Wagen und zwei Meter Länge reizt er die Gleisanlagen voll aus. Hier ist er auf dem Weg nach Timmerbruch. Die finale Schutz-Lackierung mit Matt-Lack sollte ihn spieltauglich gemacht haben. Viele Tipps und Hinweise habe ich von Kolleginnen und Kollegen aus den "Fachforen" bekommen, diesmal hatte ich einen Post einfach in den Facebookgruppen "Modelleisenbahn - Tipps, Tricks und Kniffe", "Die Modelleisenbahn unser Hobby" und "Modellbahn Bautipps, Dekoration und Gestaltung, 3D Druck" geschrieben - und schon prasselten die Hinweise auf mich ein. Im Modellbahnbereich haben die sozialen Medien wirklich noch ihren Namen verdient. Ich weiß, wovon ich rede, weil ich noch in mehreren Gruppen aus dem Bereich Motorboot Mitglied bin - da ist die Arschlochquote so was von hoch. Trotzdem gibt es auch da vielen Möglichkeiten für Hinweise und vor allem für Hilfe unterwegs. Aber die Chaoten dort machen die Nutzung schon manchmal gewöhnungsbdürftig. Schön, dass im Modellbahnbereich die Administratoren auf den nötigen Respekt und den guten Ton achten, vielen Dank dafür.

Und? Hat das Röhren-Embargo sein Ziel erreicht? Es wurde Jahre später wieder aufgehoben, weil es folgenlos blieb. Oder nicht ganz, denn die Beziehungen zu den Staaten des Ostens, der Handel mit dem Ostblock, er litt empfindlich unter den Folgen dieser Aktion. Gelitten hat auch die bundesdeutsche Wirtschaft. Und wenig überraschend: die Stahlhersteller bekamen große Probleme, Steuergelder mussten helfen.

In den 70ern wurden dann wieder Rohre in den Osten geliefert, Rohre gegen Gas - das half der heimischen Wirtschaft, brachte am Ende billiges Erdgas nach Deutschland und führte die Bundesrepublik letztlich in die problematische Abhängigkeit von russischem Gas. Seit dem völkerrechtswidrigem Angriff Russlands auf die Ukraine wissen wir, dass der Wandel durch Handel nicht funktioniert hat, dass man Despoten nicht trauen darf und wir lange Zeit die Augen vor der imperialistischen Politik von Putin-Russland verschlossen haben. Erst als der Krieg an die Grenzen der EU klopfte, hat sich hier die Sichtweise deutlich verschoben, die Zeitenwende hat so ziemlich alle Politikfelder erfasst. Ich bin immer noch der Meinung, dass Gespräche, Handel, Vereinbarungen nötig sind, um den Frieden zu bewahren. Da hat damals niemand einen Fehler gemacht. Nur: wenn die andere Seite Menschenrechte missachtet (z.B. Regimegegner planmäßig selbst im Ausland hinrichtet) und das Völkerrecht bricht, Grenzen verschiebt (da ist die Invasion der Krim ja nur ein Beispiel), muss man sofort und mit allen Mitteln reagieren, da darf es keine Zögerlichkeiten geben, die als Ermunterung für weitere Schritte aufgefasst werden. Und Abhängigkeiten (Gas und andere Rohstoffe) dürfen gar nicht erst entstehen. Allerdings: in der Epoche III/IV liegt noch der dichte Nebel der Zukunft über dieser Entwicklung. Man genießt das Wirtschaftswunder und ignoriert sogar lange Zeit die aufziehende Montankrise. So sind wir Menschen eben...

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