Das ist ja total elektrisierend...

Kurz vorweg: schon als 12jähriger habe ich die komplette Verdrahtung einer Modellbahn allein´ geplant und erledigt. Mit Klingeldraht, den mein Cousin "auf Zeche" organisiert hatte. Er war Elektrosteiger und hat mit seinen Erklärungen bei mir für Klarheit gesorgt. Später habe ich dann Physik fürs Lehramt studiert und bekam einen noch besseren Einblick in das Gefühlsleben der fließenden Elektronen. 20 Jahre als Eigner von Motorbooten brachten dann endgültig den Durchblick im Bereich der Kleinspannungen. Bis heute versuche ich, möglichst einfache Schaltungen zu realisieren, Schaltungen, die ich selbst kontrollieren und ggf. auch reparieren kann, also die ich wirklich verstehe - das hat sich auch an Bord bewährt. Auf dem Wasser ist der Skipper auf sich gestellt, es gibt keinen Hilfsdienst á la ADAC. Entweder man kriegt ein Problem in den Griff oder man hat die Arschkarte.


Dem Stellpult unter die Haube geschaut

Begriffe wie Sicherheits- und Schutzkleinspannungen erwecken ja zunächst einmal den Eindruck, das alles sei ungefährlich und in der Tat ist das Kitzeln beim Berühren der Gleise (vor allem im Winter in beheizten Räumen mit trockener Luft) zwar deutlich spürbar, aber ungefährlich. Doch schon im Physikunterricht habe ich immer gezeigt, dass selbst Batterien nicht so ganz ohne sind. Der Kurzschluss an einer unscheinbaren Blockbatterie mit Widerstandsdraht hat das schnell deutlich gemacht. Bei der Bootselektrik sprechen wir von etwas größeren Strömen als im Modellbahnbereich - 350 Ampere zog allein mein Bugstrahlruder - aber das Prinzip ist gleich und so gilt auch in Timmerbruch:

1. Lange Leitungen bekommen einen großen Querschnitt
2. Keine gemeinsamen Rückleiter mehrerer Spannungsquellen
3. Sicherungen direkt hinter der Spannungsquelle
4. Primärseitig Hauptschalter und eigener FI
5. Die gesamte Elektrik muss sauber dokumentiert werden

Erholsamer Unterschied zum Boot: weil die Vibrationen fehlen, können wir löten, in der Bootselektrik darf nur gequetscht werden. Kann ich zwar bis 4qmm mit dem entsprechenden Werkzeug auch (NICHT mit der Quetschzange für 5€ für die Kfz-Elektrik, da ist eine völlig andere Gerätschaft vonnöten) aber löten ist natürlich viel einfacher, viel schneller und unter dem Strich auch eine ganze Ecke preiswerter.


Elektrische Hauptschalter im Boot - 90qmm Querschnitt - DIE Kabelschuhe musste ich mir sogar pressen lassen

Alles, was mit 230V versorgt werden muss, ist in der E-Zentrale zusammen gefasst. Einzige Ausnahme: am Stellpult gibt es eine 230V-Steckdose mit zwei USB-Anschlüssen. Und in diese Steckdose kommt das Steckernetzteil der Modellbahnuhr, zudem hat sie bei Lötarbeiten gute Dienste geleistet. Diese Steckdose ist natürlich berührungssicher verbaut und sie wird ebenfalls über den Hauptschalter abgeschaltet. Apropos löten - um die dabei entstehenden Dämpfe und Gase nicht einatmen zu müssen...


Was ist mit den Lötdämpfen? Kann man die einfach wegatmen?

...habe ich mir aus einem alten Staubsauger (im Nebenraum stehend) und einer Stapelkiste sowie einem Fotostativ mit angelaschtem Kantholz eine effektive Absauganlage gebaut. Natürlich kam die nicht bei jeder Lötung zum Einsatz, aber sobald größere Lötereien auf der To-Do-Liste standen, wurden die unter dem Schutz dieser Apparatur durchgeführt. Zumal beim Löten an Schienenverbindern (habe ich anfangs zur Einspeisung von Fahrstrom benutzt) auch diverse Lötwässer zum Einsatz kamen. Das muss man nicht in seinem Körper haben, besser ist das.

Direkt hinter den Netzteilen liegen die Sicherungen dieser Stromkreise. Da habe ich einfache Schmelzsicherungen aus dem Kfz-Bereich verwendet, natürlich solche mit möglichst kleinen Werten von 1 bis 3 Ampere. Dann und wann muss ich tatsächlich mal eine auswechseln, allerdings bisher nie im laufenden Betrieb, es war immer nur nach Arbeiten an der Elektrik. Niemand ist ja vollkommen. Die Verbindung zu den mobilen Modulen erfolgt über Vielfachstecker. Oft reichen einfache SUB-D-Stecker und Steckerinnen aus (werden ja mit der Bezeichnung männlich und weiblich gehandelt), manchmal sind größere Kaliber nötig. Auch hier ist eine gute Dokumentation wichtig.

Von hier laufen die "Fernleitungen" zu ausgewählten Lötleisten unter der Anlage. Das sind Litzen mit 2,5qmm Querschnitt. Zu den Gleisen laufen 1,5 und 0,75qmm Leitungen. Bis auf ganz wenige Ausnahmen werden ALLE Gleisstücke, jedes einzelne Schienenstück, direkt mit Fahrstrom versorgt. Das ist durch die digitale Steuerung ja deutlich einfacher als früher, dagegen hatte man mit der Z- oder der A-Schaltung ja viele voneinander getrennte Fahrstromabschnitte. In Timmerbuch gibt es genau DREI Abschnitte: das ist einmal der Kehrscheifenbereich des Schattenbahnhofs, zum zweiten das entstehende Gleisdreieck beim Anschluss der mobilen Module und - last but not least - der ganze schäbige Rest. Also überschaubar. Wobei ich die Gleise im Schattenbahnhof einzeln abschalten kann. Es macht wenig Sinn, wenn da fünf Loks mit eingeschalteter Beleuchtung stehen, vielleicht sogar Geräusche machen weil vergessen wurde, den Sound abzustellen. Zudem halten die Loks dann auch passend, denn ich habe die Trennstellen so platziert, dass auch Loks mit Energiespeichern an der richtigen Stelle zum Stillstand kommen und ich mich nicht um den genauen Standort zum Bremsen kümmern muss.

Der Kehrschleifenabschnitt und das Gleisdreieck werden über Relais mal mit dieser und mal mit jener Polarität versorgt. Diese Relais schalten parallel mit den zugehörigen Weichen, so dass ich mir um die richtige Polarität keine Sorgen machen muss. Den testweise installierten Kehrschleifenbaustein Loop von ROCO habe ich nach einiger Zeit wieder ausgebaut. Der schaltete die Kehrschleifen-Polarität zwar automatisch um, brauchte dazu aber Sensorgleise, kurze stromlose Gleisabschnitte - zweiachsige Loks ohne Speicherbaustein brachte das "aus dem Takt" - sie blieben manchmal stehen. Nach Kontakt mit der ROCO-Hotline (gibt´s tatsächlich) war klar: viel kürzer konnte man die stromlosen Sensorgleise nicht machen, also habe ich sie einfach ausgebaut und die Polarität über die Weichen geschaltet. Von der Möglichkeit, das Umschalten über die Kurzschlusserkennung dieser Bausteine zu regeln, kann ich nur abraten: winzig kleine Spuren dieser Kurzschlüsse auf den Gleisen sind die Folge, immer und immer wieder und stets an derselben Stelle: irgendwann fließt kein Strom mehr durch diese Brennpunkte in die Loks, das bekommt man auch durch heftiges Putzen kaum noch weg. Sehr praktisch übrigens ist diese Art des Kabelkanals - man kann jederzeit und an jeder Stelle Kabel aus- und einführen, auch nachträglich.

Die Fahrspannung kann durch Not-Aus-Schalter an verschiedenen Stellen der Anlage schlagartig abgeschaltet werden. Die Schalter schalten durch einen einfachen Ein-Kontakt. Sie lassen ein monostabiles Relais anziehen und halten es solange, bis sie durch Drehen wieder entriegelt werden und in ihre Ruhestellung zurück kehren. Dann fällt auch das Relais ab. Eine rote LED jeweils neben den Schaltern zeigt an, dass ein Notstop ausgelöst wurde. Diese LED wird wie das Relais direkt vom Not-Aus-Schalter (natürlich mit Vorwiderstand) versorgt. Eine total einfache Schaltung mit minimalem Aufwand und maixmalem Effekt. Gerade wenn die Enkel mitfahren, ist das eine gute Möglichkeit für den schnellen shut down.

Der Bahnhof wird durch ein Gleisbildstellpult geschaltet. Dieses ist nicht irgend einem Vorbild nachgebaut, das wäre erheblich aufwändiger geworden und hätte deutlich mehr Platz gebraucht. Ich schalte die Weichen über eine einzige Taste - toggeln - zusammen mit der Weichengruppentaste. Bei jedem Druck ändert die Weiche also ihre Lage. Freie Kontakte in den ROCO-Weichenantrieben schalten eine Art Fahrstraßenausleuchtung. Um Signale auf Hp1 oder Hp2 zu schalten, muss ebenfalls eine Gruppentaste gedrückt werden, Sh1 gibt´s dagegen durch einfachen Druck. Die linke Abteilung des Stellpultes dient der Schaltung der Beleuchtung, die rechte der Bedienung der über allem schwebenden Uhr, die die TOZ anzeigt, die Timmerbrucher-Orts-Zeit.

Das Stellpult kann an verschiedene Positionen gefahren werden, also auch unter der Bedienung für den Schattenbahnhof stehen. Meistens allerdings steht es weiter links, da sind nämlich Holzschienen angebracht, in die die Karten der gerade eingesetzten Loks eingeschoben werden können. Auf diesen Karten sind die Belegungen der Funktionstasten der einzelnen Loks aufgeführt sowie andere Besonderheiten. Dadurch ist man immer schnell im Bilde. Links daeben gibt es ein kleines Fach für manchmal nötigen Hilfsmittel, etwa um Wagen zu entkuppeln. Dafür habe ich mehrere kleine "Entkuppler" gebaut, u.a. auch für Züge, die sehr eng nebeneinanderstehen. Das übrigens ist auch der Grund, warum es an der Anlagenkante und im vorderen Bereich möglichst wenig Hindernisse wie Signale, Lampenmasten, Bäume usw. gibt. Ich wollte mir nicht den freien Zugriff auf das rollende Material erschweren.

Der Bahnhof wird über den CAN-Bus gesteuert, ein sehr robustes und auch in Industrie und Technik erprobtes System, dass sehr gut mit der ROCO Z21 zusammen arbeitet. Da ich die Weichenantriebe mit Wechselstrom schalten wollte, haben mir die CAN-Menschen die Decoder umgebaut. Doch das ist nicht ganz trivial, und dann und wann stiegen die Decoder aus und es ist nur dem unermüdlichen Engagement des obersten CAN-Bus-Tüftlers (DANKE Thorsten!) zu verdanken, dass ich die ganze Elektronik noch nicht ´rausgeschmissen habe, der Support ist einfach super. Natürlich ist es toll, dass sich der Drahtverhau deutlich verkleinert, wenn alle Weichen mit nur einem Buskabel angeschlossen sind und man nicht zu jeder Weiche zwei Einzelleitungen legen muss. Dennoch zeigt sich hier, dass ich mit meinem grundsätzlichen Hang zu einfachen Schaltungen richtig liege. Wenn irgend etwas in der Elektronik muckt und alle Anschlüsse und Versorgungsspannungen in Ordnung sind, kann eigentlich nur ein Fachmann weiter helfen. Da ist auch der elektrisch vorgebildete Modellbahner schnell mit seinem Latein am Ende. Bei einer konventionellen Schaltung wie etwa bei meinem Schattenbahnhof weiß ich sehr schnell, warum etwas nicht fluppt wenn etwas nicht fluppt. Ob ein Relais nicht anzieht, ob ein Kontakt nicht mehr schaltet. Da kann ich mir helfen und mit einem Vielfachmessgerät Leitungen durchklingeln, Spannungen messen usw. - letztlich habe ich bisher alle Probleme in dem Bereich selbst lösen können. Probleme, die ich selbst gelötet habe konnte ich auch immer schnell lösen - dann konnte weiter gefahren werden.

Aus diesem Grund werden die Signale über einfache Relais geschaltet. Damit bekommt man auch die üblichen Abhängigkeiten hin, etwa dass die Vorsignale bei Hp0 erlöschen, dass Vr1 oder Vr2 in Abhängigkeit von der Stellung des nächsten Signals gezeigt werden, dass bei Sh1 natürlich Hp0 weiterhin gezeigt wird. Alles eine Frage der Verschaltung, natürlich mit etwas mehr Aufwand, aber eben einfach und durchschaubar. Einfache monostabile Einspulen-Relais sind heute für ein paar Cent zu bekommen und mit ein wenig Gehirnschmalz lassen sich mit ihnen auch komplexe Schaltungen realisieren.

Auch bistabile Relais sind für kleines Geld erhältlich. Anfangs habe ich noch ROCO-Relais verwendet, inzwischen bin ich komplett auf Industrierelais umgestiegen.


Vorverdrahtung einer Relaisgruppe zum Schalten der Kehrschleifenpolarität - s.o. - hier noch mit ROCO-Relais

Unten die komplette Schaltung für den Schattenbahnhof und seine Kehrschleife - da wird alles komfortabel durch die jeweilige Weichenstellung umgeschaltet: Polarität der Kehrschleife selbst, die Stromversorgung der Abstellgleise sowie die Signalisierung des Schaltungszustandes - und natürlich auch gleich das Einfahrsignal in den Schattenbahnhof. Ohne stromlose Sensorgleise, ohne undurchschaubare Elektronik - es lebe das Einfache!

Sämtliche Anschlüsse, Kabel, Lötleisten sind in einem inzwischen recht beachtlichen Ordner zusammen gefasst. Mit dem Computer ist das einfach, auch Änderungen und Ergänzungen sind leicht möglich - das war früher oft ein Problem und irgendwann blickte man selbst nicht mehr durch. Und ich bin froh, dass ich von Beginn an Besonderheiten der Schaltungen, irgendwelche Erklärungen, etwa warum das rote Kabel an dieser Stelle nun plötzlich Masse hat usw. usw. - eben alles das, was geändert, aus irgendwelchen Gründen anders, auf jeden Fall erklärungsbedürftig ist - in Wort und Schrift hier ausführlich dokumentiert habe. Hilft mir dann, wenn ich nach zwei Jahren denke: Was hast DU DA GEMACHT - und wieso überhaupt??? Mit zunehmendem Alter merke ich, dass mir nach einiger Zeit einige Details fehlen, da bin ich dann froh über eine gute und ausführliche Dokumentation.


Timmerbruchs Elektro-Bibel - mehr als 80 Seiten sind es inzwischen

Kommen wir zuletzt noch zur TOZ, der Timmerbrucher-Orts-Zeit. Da gibt es Tochteruhren, die sich beliebig ansteuern lassen. Die gesamte Elektronik, um diese Uhren auf einer Modellbahn zu nutzen, ist bei www.nebenuhrsteuerung.de erhältlich. Und Richard Härtel aus dem wunderbaren Poppenhausen gehört zu den Menschen, die sich nicht nur VOR sondern auch NACH dem Kauf um die Probleme der Kunden kümmern. Er hat mir nicht nur mit Kauf-Tipps zu funktionierenden Nebenuhren geholfen (eine ansprechende Uhr habe ich dann auch prompt in der Bucht gefunden)...

...sondern auch meine anfänglichen Verständnisprobleme zur Beschaltung geduldig und zielführend beseitigt. Die kleine Platine konnte ich am Ende so beschalten, dass Veränderungen an kritischen Stellen zum Anschluss von Schaltern und Kontrolleuchten unnötig wurden. Vor solchen Lötarbeiten an den heute üblichen Platinen mit den winzigen SMD-Bauteilen habe ich gehörigen Respekt. Kaum Platz für den Lötkolben und die große Gefahr, irreparable Schäden zu verursachen. Hier konnte ich das dann alles am Rand erledigen. Härtel hatte mir zwar LEDs beigelegt, die ich anstatt der auf der Platine verbauten ins Stellpult hätte einbauen können, aber auch darum konnte ich mich drücken.


Leider nur ein schlechtes Foto...

Letztlich konnte ich die Platine so unter das Stellpult montieren, dass die rote LED - leuchtet, wenn die Uhr gestoppt ist - durch eine umfunktionierte Hohlniete von oben gut zu sehen ist (und das auch noch ganz ansehnlich). Und das ist die einzige LED, die wirklich wichtig ist. Okay, irgendwann würde man sich darüber wundern, dass die Zeit gar nicht vergeht, aber so ist das schon besser. Wie das kleine Bedienpanel zeigt, kann die Uhr mit der 3, 4 oder 5fachen Geschwindigkeit laufen - das ist völlig ausreichend. Bei aufwändigen Rangiermanövern und technischen Problem lässt sie sich auf Knopfdruck anhalten. DAS würde die real existierende Bundesbahn auch gerne können. Aber ehrlich: dann steckten wir doch alle noch im Jahr 2000 - wäre ja auch nicht gut. Obwohl die Welt da eine geordnetere und (zumindestens für uns) friedlichere war als heute...

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